Wann, warum oder überhaupt? Darf ich lügen?
Oder sollte ich wirklich immer die Wahrheit sagen?
Erstens: ist es anstrengend sich überhaupt eine Lüge auszudenken. Das kostet unnötig Zeit und Nerven. Dann noch die ganzen Möglichkeiten bedenken, was passieren könnte. Das ist mir viel zu viel Arbeit.
Zweitens: Die Lüge aufrecht zu erhalten braucht noch viel mehr Kraft. Ich muss aufpassen was ich sage, wem ich was sage und ob irgendjemand involviert ist. Das frisst Ressourcen, die ich viel lieber für andere Dinge in Anspruch nehme.
Drittens: Jeder Mensch hat den Wunsch die Wahrheit zu sagen, sich zu offenbaren, jemandem mitzuteilen, was er denkt. Also seine Wahrheit. Wenn man nun also lügt, was passiert dann? Es arbeitet in uns. Wer hat das noch nicht erlebt? Das ganze Denken dreht sich um diese Lüge, die man (vielleicht) aus der Not mal eben schnell gesagt hat. Und es hört erst auf, wenn die Wahrheit raus ist.
Es gibt 2 Möglichkeiten. Ich fange ganz von vorn an und habe wieder die Entscheidung: Wahrheit sagen oder neues Konstrukt aus Lügen.
Jeder der es einmal probiert hat, weiß, dass es eine Erleichterung ist, die Wahrheit zu sagen. Ein Stein fällt vom Herzen, die Last fällt von den Schultern.
Und unser Gegenüber? Ja das kommt jetzt auf die Lüge an. Gehen wir mal davon aus, dass jede Lüge sowieso irgendwann rauskommt. Er/Sie ist vielleicht sauer. Das dauert (rein körperlich) nur Sekunden an. Alles Weitere dient der Klärung. Es ist also nur ein Aufschieben. Also stellt man sich hier einfach die Frage: Will ich weiter diese Anstrengung der Lüge aufrechterhalten oder mach ich hier kurz und schmerzlos ein Ende? Wenn wir uns einfach mal die Zeiten dazu anschauen.
Die Wahrheit auszusprechen, schafft einen Ärger von einer Stunde (je nachdem wie geschickt man es anstellt) die Lüge aufrecht zu erhalten macht Sorgen und Ärger für Tage-Monate-Jahre? Und was das mit unserem Körper, mit unseren Nerven und damit unserer Gesundheit anstellt ist ein ganz anderes Thema.
Die Wahrheit rauszulassen, kann übrigens auch über einen kleinen Umweg erfolgen. Schon wenn man dieses Geheimnis erstmal einem guten Freund erzählt, geht es einem besser und man kann vielleicht gemeinsam eine gute Lösung finden. Manchmal merkt man aber auch, dass das erzählen gar nicht so schlimm war und kann gestärkt die ganze Wahrheit verkünden.
Hier stellt sich mir jedoch trotzdem die Frage: Ist eine gute Absicht ein Grund zum Lügen? Sozial betrachtet kann das richtig sein. Aber wen belüge ich denn dann? Und wer weiß von dieser Lüge? Ganz sachlich betrachtet passiert aber genau das gleiche mit uns. Wir machen uns selbst etwas vor, das führt zu Unwohlsein, Nachdenken und frisst auch Ressourcen. Klar, wir können uns einreden, dass es ja für einen guten Zweck war aber es macht die Sache auf Dauer nicht besser. Auch hier ist es ratsam die Wahrheit zu sagen oder lieber gar nichts. Manchmal ist auch nur nicht der richtige Zeitpunkt da.
Oftmals ist es ja auch so, dass wir zu etwas unsere Meinung sagen wollen. Das hat aber nicht immer etwas mit Wahrheit zu tun. Unserer Meinung und die Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge. Und nun sind wir bei dem Thema Was ist eigentlich Wahrheit?
Unsere Wahrheit mischt sich selbst zusammen aus ganz verschiedenen Bausteinen: z.B. aus Wissen, dass wir in der Schule gelernt haben, aus Medien, aus Erfahrungen, aus Gesprächen, aus Beobachtungen. Und da jeder von uns ein anderes Leben geführt hat, und andere Menschen trifft, andere Dinge wahrnimmt, ist es nur logisch, dass wir andere Wahrheiten kennen.
Nehmen wir das Beispiel Religion. Ein überzeugter Katholik hält seine Religion für die einzig Wahre. Er hat es so gelernt. Alle seine Erfahrungen werden ihm Beweise dafür liefern, dass das die Wahrheit ist. Dagegen ein Wissenschaftler, der zeitlebens mit Fakten gelebt hat, wird der Meinung sein, dass es keinen Gott gibt. Und beide sprechen sicher die Wahrheit. Es wird beide auch zu keinem innerlichen Konflikt bringen, wenn sie darüber sprechen, denn sie sagen die Wahrheit – ihre Wahrheit.
Wenn man weiß, das Lügen anstrengend ist, und wir wissen, dass der Körper darauf reagiert, dann ist es klar, dass man das auch sehen kann. Die Anstrengung beim Lügen ist sicherlich nicht so stark sichtbar, wie wenn jemand z.B. Holz hackt. Aber das Gehirn arbeitet auf Hochtouren. So bewegt sich das Gesicht, die Augen, mitunter auch der ganze Körper. Je nachdem wie feinfühlig man ist, kann man diese Dinge wahrnehmen. Vielleicht auch gar nicht bewusst aber unser Unterbewusstsein tut ja auch noch was. Und dieses kann durchaus Unstimmigkeiten erkennen und sich „wundern“.
Nun noch zu der eingehenden Frage: Darf ich lügen? Wann darf ich lügen? Grundsätzlich bin ich der Meinung man schadet sich sowieso selbst am Meisten mit der Lüge. Es kann gesundheitliche Folgen haben, über längere Zeit mit einer Lüge zu leben und es nimmt unsere Ressourcen stark in Anspruch. Also kann sich diese Frage nur jeder selbst beantworten.
Und zu guter Letzt mag ich noch einen bekannten Philosophen zitieren: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Immanuel Kant
Sabine Pinisch